Wenn das Handy zum Patienten wird Sie sind die heimlichen Superhelden im digitalen Zeitalter: Smartphone-Techniker kommen dann zum Einsatz, wenn bei den Hightech-Geräten nichts mehr geht. Ihre Mission: den Handys neues Leben einzuhauchen. Die Mitarbeiter von Smartphone-Repair erklären, worauf es bei der Reparatur ankommt und warum Laien ihre Handydisplays nicht selbst austauschen sollten.

Die Luft in dem kleinen Raum in Hannovers Stadtmitte ist warm und stickig. Das grelle Deckenlicht bricht sich im Metall der Pinzetten, Scheren und Lupen und verleiht der Atmosphäre etwas Steriles. Wären da nicht all die Laptops und Kabel, könnte man meinen, man wäre in einem Operationssaal gelandet. „So ganz verkehrt ist das ja auch nicht“, sagt ein Mann mit kurz geschorenem Haar und schwarzem Brillengestell milde lächelnd. Marcel Jacob ist Servicetechniker für Smartphones. Gemeinsam mit fünf weiteren Kollegen repariert der 36-Jährige bei Smartphone-Repair, Niedersachsens größtem Reparaturcenter für Handys, des Menschen liebstes Spielzeug. „Wir leiten hier im Akkord lebenserhaltende Maßnahmen ein“, scherzt er. „Nur, dass die Patienten eben aus Plastik, Glas und Metall sind und die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich geringer ist.“

Dass der Unterschied zwischen einem klinischen OP und der antistatischen Werkstatt in Hannovers Stadtmitte tatsächlich gar nicht so groß ist, beweist Jacob schon nach wenigen Sekunden: Sein Blick ist wach und die Atmung auffällig ruhig, während die in Handschuhe gehüllten Finger ein Samsung Galaxy A3 bearbeiten – ein Displaytausch ist fällig. Der Handytüftler hat bereits das Innenleben des Modells freigelegt, als er mit der Zahnbürste vorsichtig über die blanken Kanten des Metallrahmens streicht, um auch die hartnäckigsten Schmutzpartikel zu beseitigen. Nach einem letzten prüfenden Blick nickt der Smartphone-Profi schließlich und sagt fast entschuldigend: „Sorgfalt ist in meinem Job eben das Wichtigste. Wenn das Display verklebt wird, darf da kein Staubkorn liegen.“

Sorgfalt hat Priorität

Direkt nach diesem Grundsatz folgt schon ein weiterer Vorsatz, den viele der über fünfzig Handy-Reparaturdienste in und um Hannover häufig nicht auf dem Zettel haben: die Verwendung von Originalteilen. „Nur so kann alles nach der Reparatur wieder neuwertig sein“, begründet Jacob das zweitwichtigste Credo seines Arbeitgebers. Und weil sich die oberflächliche Schadensbehebung ebenfalls „schnell rächt“, stehen für die Technikfreaks nach dem Verkleben der Displays grundsätzlich noch die technische Nachkontrolle und ein kurzer Backvorgang im Handyofen an. Der Smartphone-Experte tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, dann sagt er: „Der Grund ist simpel: Gerade beim Abkühlen zieht sich der Kleber noch mal richtig zusammen.“

Genau dieses Know-how ist der Grund, weshalb sich Martin Bäte eine Tür weiter entspannt in seinen Sessel lehnen kann. Der Geschäftsführer ist stolz auf den hohen Qualitätsstandard, den sein Team nach gerade einmal zwei Jahren und drei Monaten erreicht hat. Mit stolzem Unterton sagt er: „Wir spielen mittlerweile schon auf Champions-League-Niveau.“ Und das, obwohl seine insgesamt 18 Mitarbeiter pro Woche 250 bis 350 Reparaturen wuppen. „Anders geht es bei über fünfzig Auftragseingängen täglich auch gar nicht“, so der Chef. Damit das zu stemmen sei, gäbe es neben der Zentralwerkstatt am Schiffgraben auch noch eine zweite im Handyshop in der Stadtmitte.

Am häufigsten sind Displays kaputt

Mann begutachtet zwei Smartphone-Gehäuse
(Bild: Fxquadro – stock.adobe.com)
Und an beiden Standorten liegt ein Handypatient besonders häufig auf der Werkbank: „Apple-Produkte machen fünfzig Prozent des Arbeitsvolumens aus“, verrät Bäte. Dabei gelte die Faustregel: Je aktueller, desto öfter ist ein einzelnes Modell kaputt. „Derzeit stehen das iPhone 6 und das iPhone 7 hoch im Kurs.“ Und der häufigste Schaden? „Natürlich Displaybrüche“, sagt der Geschäftsführer mit gequältem Lächeln.

Zurück in der Werkstatt plaudert der ehemalige Samsung-Schrauber Jacobs wieder aus dem Nähkästchen: „Gefühlt machen kaputte Displays neunzig Prozent meiner täglichen Arbeit aus.“ Passenderweise löst er in diesem Moment schon wieder ein Display aus einem Smartphone heraus – diesmal aus einem alten Samsung Galaxy S4. Dennoch: Sogar für den Reparaturprofi ist dieser Vorgang ein bisschen besonders – denn das Galaxy S4 liegt mittlerweile kaum noch auf seinem Tisch. „Das ist schon recht alt – so viele gibt es davon nicht mehr. Schade eigentlich.“ Denn die Wiederherstellung des vier Jahre alten Modells ist vergleichsweise simpel. „Da braucht man nur wenige Schrauben zu lösen und das Display ist ab“, erklärt er mit einem Anflug von Euphorie. Tatsächlich wird das Smartphone lediglich von elf Schrauben zusammengehalten. „Zum Vergleich: Bei einem iPhone 6 sind es über siebzig.“

Und genau mit diesem Problem plagt sich ein Kollege Jacobs herum. Die Leerlaufspannung und das Power-Management des Edel-Smartphones müssen untersucht werden. Geschätzte Reparaturdauer: vierzig Minuten. Die große Herausforderung beim Lösen der Schrauben des Backcovers besteht in der Konzentration. Der Grund: Schraubendifferenzlängen von 0,2 Millimetern. Häufig geht es nur um Zehntel eines Millimeters. Wird dann eine Schraube vertauscht, hat man gleich einen Platinenschaden. Der Super-GAU.

Reparaturkosten sind gestiegen

Nicht zuletzt deshalb hat sich der durchschnittliche Reparaturpreis für Smartphone-Displays in den vergangenen vier Jahren fast verdoppelt: Bei mehr Schrauben, mehr Kleber, mehr Technik und mehr gefordertem Know-how sind die Preise von 169 Euro bei einem Samsung Galaxy S4, auf 299 Euro bei einem Samsung Galaxy S8 gestiegen. „Getoppt wird das Ganze nur noch vom Samsung Galaxy S7 Edge – da kostet die Reparatur über 300 Euro“, verrät Jacob und unterstreicht das Ganze mit hochgezogener Braue.

Und welche Handys sind bei der Reparatur besonders tückisch? „Auch wenn das keiner gern hört: Das iPhone 6s und das iPhone 7 sind ziemlich verklebt, um es spritzfest zu machen“, nimmt Jacobs Do-it-yourself-Laien alle Illusionen, dass sie ihr Smartphone problemlos selbst reparieren könnten. Oft scheitere dies schon am richtigen Werkzeug – und am Wissen darüber, wie warm das Display werden muss, um den Kleber lösen zu können. Die Konsequenz: Das Handy zerbricht.

Dass diese Lizenz zum Scheitern den eingefleischten Technik-Nerds geradezu in die Karten spielt, wird vor allem offensichtlich, als Jacobs zugibt: „Wenn ein neues Produkt in die Reparatur kommt, kloppen wir uns fast darum, wer es zuerst öffnen darf.“ Klar, dass jeder von ihnen auch regelmäßig das Smartphone wechselt. „Das ist aber schon allein deshalb wichtig, damit wir technisch auf dem Laufenden bleiben und selbst Erfahrungen mit den Modellen sammeln.“ Bei acht bis 18 täglich durchgeführten Reparaturen pro Mitarbeiter, „je nach Komplikation des Handyschadens“, ist das sinnvoll.

Einen kleinen Haken hat der hohe Kompetenzanspruch aber doch: Es macht die Personalsuche schwieriger. Generell bestehe das Berufsfeld laut Jacobs ohnehin eher aus Quereinsteigern, unter ihnen viele Uhrenmacher und Elektroniker. „Nach einem Jahr können sie immerhin schon Displays tauschen. Bis sie aber richtig fit sind und allein an technische Probleme ran dürfen, vergehen meist drei Jahre.“ Der 36-jährige Vollprofi macht aber dennoch Mut: „Wenn man irgendwann richtig drin ist, ist der Beruf unheimlich spannend!“ Dann rückt er sich mit breitem Lächeln ein letztes Mal seine Brille zurecht und sagt: „Und ganz ehrlich: Wer sonst hat schon die Fähigkeit, Smartphones neues Leben einzuhauchen?“

Quelle Wertgarantie